© Andreas v. Bonin

, LL.M.

Das Ende des Rundfunks

Der Einfluß der Konvergenz auf die deutsche Rundfunkdogmatik

 


I. Die Entwicklung: Abruf statt "Berieselung"

Das Internet bietet heute schon, was im Rundfunk niemals möglich war: Aus einem unerschöpflichen Angebot an Informationen kann der Nutzer per Knopfdruck abrufen, was ihn interessiert. Statt sich vom unverlangt ablaufenden Programmangebot weniger Rundfunksender "berieseln" lassen zu müssen, hat er die Wahl, was er wann empfangen möchte. Diese Form der Mediennutzung ist technisch nicht auf den Abruf von Texttafeln oder Standbildern begrenzt. Auch die Inhalte des heute als Rundfunk bezeichneten Mediums werden zunehmend nicht in Form einer unverlangten Gesamtversorgung, sondern als Einzelangebote (stückweise Versorgung)

 

Bullinger / Mestmäcker, Multimediadienste, 1. Kapitel, IV, 3.

 

angeboten. Diese Entwicklung verändert auch die rechtliche Betrachtung des Rundfunks. In Deutschland ist es die Veranstaltung von zusammenhängenden, aufeinander abgestimmten Medieninhalten unter gemeinsamer editorialer Kontrolle,

 

Vgl. die Definition von Rundfunk in § 2 (1) RStV: " Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind, sowie Fernsehtext."

 

die den Rundfunk dem Sonderregime einer verfassungsgerichtlich entwickelten "Ausgewogenheitspflege"

 

Vgl. Bullinger / Mestmäcker, aaO.

 

unterstellt hat. Statt dessen werden stückweise verbreitete Medieninhalte, wie z.B. Videokassetten, Bücher oder Presseprodukte seit jeher nach den Regeln einer (im Falle der Presse eingeschränkten) Offenheitspflege behandelt. Für diese ist die Anwendung des Rechts herkömmlicher privatwirtschaftlicher Austauschbeziehungen charakteristisch. Erreicht ein Film den Zuschauer nicht mehr als Teil eines gesamten Rundfunkprogramms, sondern als Einzelprodukt auf Abruf, sollte es keinen Unterschied mehr machen, ob er körperlich auf einer Videokassette oder unkörperlich über das Internet zum Kunden gelangt. Im Folgenden soll gezeigt werden, daß die deutsche Rundfunkdogmatik auf eine Situation zugeschnitten ist, in der aus technischen und aus Kostengründen wenige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten alles anboten, was an bewegten Bildern mit Ton auf dem heimischen Fernsehgerät zu empfangen war. Es wird deutlich werden, welche Probleme diese Dogmatik bereits im Vielkanalrundfunk bereitet und wie vollends ungeeignet sie in der Welt des "persönlichen Kanals" ist, in der der Zuschauer sein eigenes Programm zusammenstellt.

 

Vgl. Eli M. Noam, Towards The Third Revolution of Television, 1995, http:// www.vii.org/papers/citinom3.htm; ders., Three Stages of Television, 1995 http://www.citi. columbia.edu/vir8210/media/article.txt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen, moderne Entwicklungen gehörten "zu dem konkreten Lebenssachverhalt, auf den das Grundrecht bezogen ist und ohne dessen Einbeziehung eine die normierende Wirkung der Rundfunkfreiheit entfaltende Auslegung nicht möglich erscheint." Der Gehalt des verfassungsrechtlichen Begriffs des Rundfunks "kann sich vielmehr bei tatsächlichen Veränderungen in dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Sozialbereich wandeln."

 

BVerfGE 83, 238 (302) - NRW-Urteil, wo nach Auffassung des Gerichts moderne Entwicklungen wohl eher zu einer Ausweitung der Ausgewogenheitspflege führen sollen.

 

Diese Arbeit soll zeigen, daß die mittlerweile eingetretenen "modernen Entwicklungen" nur noch wenig Raum lassen für eine Auslegung der Rundfunkfreiheit, die eine besondere "normierende Wirkung" dieses Grundrechts entfaltet.

 

II. Gründe für diese Entwicklung

1. Die achtziger Jahre

a. Vom öff. rechtl. Rundfunkmonopol zum dualen System

Von der Nachkriegszeit bis in die 80er Jahre war Rundfunk in Deutschland eine Veranstaltung, die ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten organisiert wurde. Obwohl privat veranstalteter Rundfunk vom BVerfG niemals ausgeschlossen wurde,

 

BVerfGE 12, 205 (262) - 1. Rundfunkurteil; BVerfGE 57, 295- FRAG.

 

fand er nicht statt. Erst im Zuge der Verkabelung der Bundesrepublik wurden erste Privatrundfunkveranstalter, dann aber auch für den terrestrischen Verbreitungsweg, zugelassen.

Obwohl mit der Etablierung privaten Rundfunks in Deutschland die Zahl und die Vielfalt der mittels Rundfunk am Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung beteiligten Veranstalter anstieg, veränderte das BVerfG seine grundsätzlichen Anforderungen

 

Dies sind vor allem gesetzliche Bestimmungen Organisation und Zulassung von Rundfunkveranstaltern, zur Vielfaltssicherung bei den Programminhalten und zur Verhinderung von Staatseinfluß und Medienkonzentration.

 

an vielfaltssichernde gesetzliche Ausgestaltung von Art. 5 II GG nicht. Vielmehr sind seine Entscheidungen von tiefgehender Skepsis bezüglich des Beitrages geprägt,

 

BVerfGE 73, 118 (155): Wegen ihrer (damals noch geringen) Reichweite und ihrer der Werbefinanzierung wegen zu erwartenden Ausrichtung auf Mainstream-content, führte das BVerfG aus, "vermögen" die privaten Rundfunkprogramme "der Aufgabe umfassender Information nicht in vollem Ausmaß gerecht zu werden".

 

den private Rundfunkveranstalter zum Meinungsbildungsprozeß leisten. Dennoch verschließt sich das Gericht nicht völlig den wirtschaftlichen Realitäten des privaten Rundfunks. Seine Ausbreitung trage - neben anderen Gründen - dazu bei, daß "das Erfordernis gleichgewichtiger Vielfalt seine Funktion nicht mehr uneingeschränkt erfüllen"

 

BVerfGE 73, 118 (156).

 

kann. Mit der Schaffung einer Aufgabe der "Grundversorgung" für die öffentlich-rechtlichen Anstalten verleiht das BVerfG einerseits seiner Erwartung Ausdruck, daß privater Rundfunk und Rundfunk ausländischer Provenienz in Deutschland zunehmen werden und erkennt andererseits, daß daran nicht die gleichen Anforderungen hinsichtlich einer ausgewogenen Programmstruktur gestellt werden können, wie an den gebührenfinanzierten Rundfunk. Nach dem BVerfG ist das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel, "daß das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit dem verfassungsrechtlich Gebotenen im Rahmen des Möglichen entspricht".

 

BVerfGE aaO.

Um dieses Ziel in einer "dualen Ordnung" zu erreichen, konstruiert es ein doppeltes "Solange": Solange im Zuge der Erweiterung des gesamten Rundfunkangebotes durch Private und ausländische Sender wegen deren begrenzter Reichweite (nur über Kabel und Satellit zu empfangen) und inhaltlicher Einseitigkeit (nur mainstream-content, keine kostenintensiven "anspruchsvollen kulturellen" Sendungen) nicht "die ganze Breite umfassender Information zu erreichen ist, ohne die es keine "Meinungsbildung" im Sinne der Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geben kann", ist eine "unerläßliche Grundversorgung" Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Solange diese von ihnen bereitgestellt wird, können die Mängel der anderen Programme verfassungsrechtlich hingenommen werden.

Die Einführung des privaten Fernsehens in Deutschland hat sich als entscheidender Faktor für die Herausbildung unternehmerischen Denkens im Rundfunk erwiesen. Dieses ist Voraussetzung für das Entstehen neuartiger Dienste, die darauf abzielen, das wirtschaftliche Potential der Verbreitung audiovisueller Inhalte bestmöglich auszuschöpfen. Dieser wirtschaftliche Druck forciert die strukturellen Veränderungen im Rundfunk.

 

b. Von der rein terrestrischen Verbreitung zum Multichannel TV

Bereits die Anfang der achtziger Jahre zu erwartende Erweiterung der Übertragungskapazitäten durch Kabelpilotprojekte und Satellitenverbreitung hatte Einfluß auf die dogmatische Herleitung der Ausgestaltungsbedürftigkeit der Rundfunkfreiheit. Das BVerfG gab 1981 das "Knappheitsargument" als entscheidende Begründung für die Ausgestaltungsbedürftigkeit der Rundfunkfreiheit auf:

"... Diese Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung besteht auch dann, wenn die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt. Von dieser Sondersituation ist das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgegangen (BVerfGE 12, 205 (261); 31, 314 (326)); was bei ihrem Wegfall zu gelten habe, ist offengeblieben (vgl. BVerfGE 31, 314 (326)). Auch in diesem Falle bleibt es indessen bei dem verfassungsrechtlichen Erfordernis gesetzlicher Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks. Zwar können diese in einer Situation der unvermeidlichen Beschränkung auf wenige Träger von Rundfunkveranstaltungen in weiterem Umfang nötig werden und andere Mittel erforderlich machen als in einer Lage, in der diese Beschränkung nicht mehr besteht. Aber es bleibt bei der Notwendigkeit, durch gesetzliche Vorkehrungen für die Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks im dargelegten Sinne Sorge zu tragen..."

BVerfGE 57, 295 (302) - FRAG.

 

1981 hatte sich das BVerfG zwar abstrakt mit dem Wegfall der Knappheit der Übertragungswege für den Rundfunk beschäftigt, die Satelliten- und Kabeltechnologie aber nicht diskutiert.

 

Obwohl von den Parteien zur Kenntnis des Gerichts gebracht, vgl. BVerfGE 57, 295 (308, 310) - FRAG.

 

Dies tut es erst fünf Jahre später

 

BVerfGE 73, 118 (121) - Niedersachen.

 

und zeigt sich skeptisch hinsichtlich der auch in Zukunft zu erwartenden Reichweite der neuen Verbreitungstechniken. Insbesondere die Kosten des Verbrauchers für Kabel- und Satellitenempfang ("mehrere tausend Mark")

 

BVerfGE 73, 118 (124).

werden angeführt, um die Auswirkungen neuer Übertragungskapazitäten auf die Rundfunklandschaft in Deutschland als minimal darzustellen. Mitte der neunziger Jahre sind ca. 60 % aller gesamtdeutschen Haushalte ans Kabelnetz angeschlossen. 15,8 Millionen Haushalte benutzen den Kabelanschluß.

 

Geschäftsbericht der Deutschen Telekom AG, http://www.dtag.de:80/cgi-bin/multigate/retrieve? u=z3950r://www.dtag.de:2100/DTAG!F144194%3a892760024%3a%28Kabelnetz%29;esn=FT%5f
TEXT%20HTML%200;ct=text/html&l=FULCRUM/lang.txt

Die Prozentsätze sind nur deshalb nicht höher, weil der Preis für den Satellitenempfang heute lediglich Einmalinvestitionen von etwa 200.- DM erfordert. Im Kabel sind 34 Kanäle transportierbar. Dieses Limit ist kein technisches,

 

In den USA transportieren Koaxialkabel bis zu 70 TV-Programme. Die für den amerikanischen Fernsehstandard benötigte Bandbreite ist zwar geringfügig kleiner, mitnichten jedoch um 50%.

 

sondern ein politisches Problem. Aus verschiedenen Gründen wehrte sich die DBP / Telekom AG lange, die maximale Übertragungskapazität ihrer Breitbandkabel verfügbar zu machen. Die Zahl deutscher Fernsehprogramme auf direktstrahlenden TV-Satelliten erreicht heute ein Vielfaches der 1986 vom BVerfG prognostizierten fünf,

 

BVerfGE 73, 118 (123) - Niedersachsen.

 

europaweit werden etwa 200 Kanäle per Satellit verbreitet.

 

KPMG, Public Policy Issues Arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, 1996, S. 28.

 

 

Diese um ein Vielfaches gewachsenen Möglichkeiten, den Fernsehzuschauer zu erreichen, schaffen die Voraussetzung zum Angebot alternativer Inhalte und Verbreitungsformen im Rundfunk. Als das BVerfG 1986 voraussagte, es werden sich zwei, höchstens drei bundesweite private, auf Werbeeinnahmen angewiesene Anbieter von Vollprogrammen behaupten können,

 

BVerfGE aaO.

 

mag es richtig gelegen haben. Daß ein Vollprogramm aber nicht die einzige, und aus wirtschaftlicher Sicht nicht die erstrebenswerteste Möglichkeit ist, einen Rundfunkkanal zu nutzen, wurde dabei möglicherweise unterschätzt.

 

c. Vom Vollprogramm zum Spartenfernsehen

Ein wesentlicher Trend der letzten Jahre ist die Entstehung von Spartenprogrammen. Diese Programme kommen dem Einzelvertrieb schon deutlich näher. Während ein Vollprogrammanbieter bestrebt sein mag, einen Zuschauer gesamthaft mit Informationen aus Politik, Kultur, Wirtschaft sowie mit Sport und Unterhaltung zu versorgen und sich durch journalistisch-redaktionelle Programmgestaltung als sein "full service provider" vermarktet, hat der Spartenprogrammanbieter ein anderes Ziel. Er weiß, daß nur ein geringer Teil der Zuschauerschaft 24 Stunden lang z.B. verschiedene (teilweise auch wiederholte) Sportberichterstattungen verfolgen wird. Er möchte zu bestimmten Zeiten Teilgruppen mit speziellen Interessen bedienen. Ein Fechtwettbewerb, der in einem Vollprogramm höchstens zwei Minuten Sendezeit eingeräumt bekäme, kann hier in voller Länge übertragen werden, weil die Aussicht, eine so homogene und kaufkräftige Zielgruppe (Fechtbegeisterte) zu erreichen, für Werbekunden attraktiv ist. Jede einzelne Sendung wird so einzeln kalkuliert und auf dem Sendeplan positioniert. Die Abfolge der einzelnen Sendungen richtet sich nicht mehr nach einem editorialen Konzept, das auf die Fesselung großer Zuschauergruppen setzt, sondern ist bestrebt, das Zuschauerpotential zu segmentieren.

Das BVerfG hat Spartenprogramme grundsätzlich für zulässig erklärt und sie als Erweiterung des Gesamtprogrammangebots begrüßt.

 

Bezeichnenderweise hat es dies ausdrücklich nur für öffentlich-rechtliche Spartenprogramme unter Verweis auf Kultur- und Bildungskanäle ausgesprochen. Vgl. BVerfGE 74, 297 (345 f.) - Baden-Württemberg-Beschluß. Warum für einen privaten Sport- oder Unterhaltungskanal anderes gelten soll ist nicht ersichtlich, zumal das BVerfG immer wieder die Zugehörigkeit dieser Bereiche zum meinungsrelevanten Spektrum betont. Vgl. BVerfGE 59, 231 (257f.) m. w. N. - Freie Rundfunkmitarbeiter; BVerfGE 73, 118 (152) - Niedersachenurteil.

2. Gegenwart

Gegenwärtige Entwicklungen in der globalen Medienlandschaft werden geprägt von einem Prozeß technischer Neuerungen, der neue wirtschaftliche Profitmöglichkeiten und somit neue Medienangebote schafft. Dieser Prozeß wird als "Konvergenz" beschrieben. Er umfaßt die unbegrenzte Kompatibilität vormals getrennter Technologien, Dienste und Nutzergewohnheiten.

 

"Convergence is an on-going process whereby the scarcity of the distribution of information, communication and entertainment services diminishes over time. This process entails the coming together of:
- the logical convergence of physical information distribution infrastructures (such as broadcast television and telecommunications) to carry similar sorts of information at increasingly lower costs
- the interactive information storage and processing capabilities of the computer world,
- the ubiquity and ease of use of consumer electronics; and
- content from the audiovisual and publishing worlds."
Vgl. KPMG, aaO, S. 87.

 

Auch in Deutschland, angetrieben durch Überlegungen der EU, gewinnt dieses Phänomen zunehmend an Beachtung.

 

Vgl. aus dem neuesten Schrifttum: Knothe, Konvergenz und Medien aus nationaler Sicht, K&R 1998, 95; Ulbrich, Konvergenz der Medien auf europaeischer Ebene, K&R 1998, 100.

 

Die Herausforderung der Konvergenz an das Medienrecht liegt daran, daß der Prozeß des Zusammenwachsens verschiedener Medien die unterschiedliche rechtliche Behandlung verschiedener Diensten in Frage stellt. Im Folgenden sollen einige Aspekte der Konvergenz beleuchtet werden.

 

a. Die technischen Aspekte der Konvergenz

aa. Digitalisierung

Die Digitalisierung von Informationssignalen hat Auswirkungen auf den Rundfunk. Zunächst ermöglicht die Kompression digitaler Informationen eine intensivere Nutzung vorhandener Übertragungskapazität und damit ein signifikantes Anwachsen der Verbreitungsmöglichkeiten ohne daß zusätzliche Infrastruktur geschaffen wird.

 

Peter Huber, Law and Disorder in Cyberspace, 1997 , S. 17, 19 führt aus, daß die digitale Kompression die Übertragung von hunderten von TV-Signalen auf einem Koaxialkabel ermöglicht. Für die Nutzung von Satellitentranspondern gilt nichts anderes. Zur Digitalisierung der terrestrischen Fernsehübertragung, die in den USA is zum Jahr 2006 abgeschlossen sein soll, aus deutscher Sicht (wenn auch sehr rundfunkzentristisch) Hans Hege, Wem gehören die Frequenzen? Eine strategische Betrachtung zu den Ressourcen des 21. Jahrhunderts, Vortrag gehalten in Berlin am 3.9.1997, http://www.mabb.de/aktuell/statement-1.html.

Digitaler Rundfunk schafft erneut mehr Platz für neue und alternative Angebote und erweitert die Auswahlmöglichkeiten des Medienkonsumenten.

Die Digitalisierung verändert darüberhinaus aber auch die Art, wie Medieninhalte genutzt werden. Der mit digitalen Informationen gefütterte Fernseher wird zum "switch"

 

Wörtlich: Vermittlungsschalter.

 

eines umfassenden Verbreitungsnetzwerkes. Er verfügt damit über die gleichen Möglichkeiten der Informationsauswahl und Informationsbearbeitung wie ein Computer. "Benutzeroberflächen" und "Browser", gestern nur in der Computerwelt zu Hause, erleichtern heute schon die Benutzung des Fernsehgerätes. In den USA wird gerade der Konflikt ausgetragen, mit welchem "Betriebssystem" die Set-Top Box des Digitalfernsehers ausgestattet wird. Ein Fernseher, der die Sprache der Bits und Bytes versteht, kann programmiert werden wie ein Computer, kann ans Internet angeschlossen oder als Bildtelefon benutzt werden. Er kann mit dem Videosignal versandte Zusatzinformationen wie Abrechnungsdaten weiterverarbeiten, er kann Werbung erkennen und ausblenden

 

Entsprechende plug-ins (Zusatzprogramme) sind für Internetbrowser bereits erhältlich und werdenn sich noch schneller ausbreiten, nachdem Netscape den Quellcode seines browsers freigegeben und damit für jedermann die Möglichkeit eröffnet hat, plug-ins für diesen weltweit meistgenutzten browser zu schreiben. Werbung ist damit nicht länger etwas, womit sich der Zuschauer abfinden muß. Er kann stattdessen dem Bezug von Werbung explizit zustimmen und damit andere Vergünstigungen erhandeln.

 

oder jeweils den Kanal einblenden, auf dem gerade eine Nachrichtensendung läuft.

 

bb. Internet

Das Internet beschleunigt die Veränderung der Mediennutzung vor allem in zweierlei Hinsicht: Einerseits stellt es ein zusätzliches Verbreitungsmedium für jede Art von digitalen Informationen dar. Auch Nachrichtenbeiträge, Filme oder andere Inhalte, die heute Bestandteil der Rundfunkveranstaltung sind, können paketiert und über das Internet von einem bestimmten Empfänger oder von einer beliebig großen Gruppe von Empfängern abgerufen werden.

 

So bietet z.B. die ARD Nachrichtenbeiträge aus Tagesschau und Tagesthemen zum download an, vgl. http://www.tagesthemen.de.

 

Welcher physikalische Leiter für die Verbreitung genutzt wird, oder ob die Signale drahtlos, z.B. via Satellit

 

Vgl. zu Plänen der amerikanischen Unternehmer Bill Gates und Craig McCaw, sowie der ASTRA - Gruppe zum Satelliten-Internet in Abschied vom Nadelöhr, SPIEGEL ONLINE 32/97.

 

versandt werden, spielt dabei technisch keine Rolle. Auch eine Telefonleitung eignet sich zur Übertragungen ganzer Spielfilme.

 

Seit 1996 dürfen die regionalen Telefongesellschaften in den USA Videofilme (video on demand) über das lokale Telefonnetz anbieten und tun dies auch. Dabei handelt es sich aber um konventionell geschaltete Telefonleitungen (circuit switched), nicht um Internetverbreitung (packet switched).

 

Problematisch ist bisher noch die Echtzeitverbreitung von datenintensiven Sendungen im Internet, weil diese darauf angewiesen ist, daß die einzelnen Datenpakete in richtiger Reihenfolge beim Empfänger ankommen ("streaming").

 

Vgl. die umfassende Darstellung verschiedener Übertragungs-, Kompressions- und Beschleunigungstechnologien in Toss Your TV, How the Internet Will Replace Broadcasting, BYTE Magazine, Februar 1996, http://www.byte.com/art/9602/sec8/art1.htm.

 

Strukturell ist das Internet aber nicht in erster Linie auf pünktliches, sondern auf sicheres Ankommen der Pakete ausgelegt. Daher kann es, speziell bei hoher Netzbelastung und wegen des Vorhandenseins von Engstellen (sogenannter "bottlenecks") zu Störungen kommen. Dennoch ist "Webcasting" bereits etabliert

 

Vgl. mwN Gleick, Pushy, Pushy, New York Times 23.3.1997, http://search.nytimes.com/search /daily/bin/fastweb?getdoc+site+site+12275+3+wAAA+webcasting.

 

und wird sich zügig ausbreiten, wenn die dargestellten Probleme gelöst werden. Eine Möglichkeit, die downstream-Bandbreite des Netzes zu erhöhen, ist der Einsatz von ATM.

 

Asynchronous Transfer Mode. Es handelt sich um ein System, das Multimedia-Datenpakete auf einer end-to-end geschalteten Leitung mit hoher Geschwindingkeit versendet. Vgl. auch KPMG aaO, 130f.

 

Der Nachteil dieser Technologie ist jedoch, daß sie ein vom TCP/IP (Internet) verschiedenes Protokoll benutzt, das nicht die bestehenden Routing-Rechner im Netz benutzt. Das gleiche Ziel verfolgen Pläne zum "Gigabit"-Ethernet, das eine Weiterentwicklung des herkömmlichen TCP/IP-Protokolls ist.

 

Vgl. zum technischen Konzept des Gigabit-Ethernet und zu einer Diskussion seiner Vorteile gegenüber ATM: Red Herring Online, July 1996, http://www.herring.com/mag/issue33/atm.html .

 

Die Übertragungsgeschwindigkeit erhöht sich z.B. bereits mit ISDN-Leitungen und wird komfortabel durch die von der Telekom gegenwärtig getestete ADSL-Technologie.

 

ADSL= Asynchronous Digital Subscriber Line. Vgl. Telekom: Erste ADSL-Angebote noch in diesem Jahr, http://www.hightext.de/aktuell/Welcome.html?tag=03-04-1998; KPMG aaO. In den USA arbeitet die Technologie mit einem sog. Splitter, der eine abspaltbare Datenleitung mit 6 Mbs downstream und 384 Kbs upstream zum PC leitet. Auf kurze Entfernungen (500 Meter) zum nächsten Central Office sind sogar 60 Mbps möglich.

 

Die downstream-Bandbreite von 6 Mbps reicht aus, um ein qualitativ hochwertiges MPEG-2-Video-Signal

 

MPEG-2 ist ein Video-Codierungs-Standard. Vgl. BYTE Magazine aaO, http://www.byte.com /art/9602/sec8/art1.htm.

 

zuzuleiten. Selbst ein digitales HDTV-Format, das etwa 1 Gbps benötigt, kann so komprimiert werden, daß es mit den 6 Mbps auskommt.

 

Ausführungen von Bruce Egan, freier Berater im Kurs "Managing Information, Communiction and Media Resources" an der Columia Business School am 15. April 1998. Zu dessen Person: http://www.began.com.

 

Eine andere Lösung ist, Web-Daten im "vertical blanking interval" (VBI) des terrestrischen TV-Signals zu versenden.

 

Diese Technologie wird in Deutschland heute schon vom ZDF genutzt, vgl. Kreile/Neuenhahn, Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten; K&R 1998, 41 (42).

 

Jeder PC mit TV-Tuner-Karte ($ 100) filtert die HTML-Daten aus und speichert sie auf der Festplatte oder befördert sie direkt auf den Monitor. Die nötige Software ist kostenlos und rein werbefinanziert. Sie soll im nächsten Microsoft Windows 98 - Paket enthalten sein und dürfte sich somit rasanter Verbreitung erfreuen.

 

In den USA stehen mehrere derartige Systeme im Wettbewerb miteinander, vgl. Cyber Times vom 11. Januar 1998, http://www.nytimes.com/library/cyber/week/011198television.html .

 

US-Rundfunkveranstalter sehen im "Daten-Broadcasting" ein neues und vielversprechendes Geschäftsfeld.

 

Vgl. Richard V. Ducey (Senior Vice President National Association of Broadcasters), Multimedia Broadcasting and the Internet, http://www.jargo.itim.mi.cnr.it/inet96/b3/b3_2.htm. Das Dokument enthält auch weitere Informationen zu Data-Broadcasting Firmen.

 

"Real video" über das Internet steht noch am Anfang seiner Entwicklung. Aber wie ein Hund, der beim Sprechen lispelt, ist es faszinierend, wenn auch noch nicht perfekt.

 

BYTE Magazine aaO.

 

Andererseits verlangt das Internet eine veränderte Form der Mediennutzung und hat damit Vorbildfunktion für die zukünftige Entwicklung dessen, was heute Rundfunk genannt wird. Es kommen nicht unverlangte oder zufällig gefallende Informationen zum passiven "Zuschauer", sondern der Nutzer greift auf die von ihm gewünschte Information zu.

 

Bullinger / Mestmäcker aaO, 1. Kapitel, VI. 2.; Der US Supreme Court hat in Reno v. ACLU, 117 S.Ct. 2329 (1997) das Internet vom Rundfunk unter Verweis darauf abgegrenzt, das es als Abrufdienst nicht die gleiche "eindringende" ("intrusive") Wirkung hätte.

 

Weiterhin fällt der Unterschied zwischen Sender und Empfänger weg. Das Medium unterstützt die Möglichkeit des Einzelnen, ebenfalls Informationen zum Abruf zur Verfügung zu stellen. Wegen der strukturell niedrigen Eintrittsbarrieren stellen sich hinsichtlich des Inhaltsangebots im Internet keine Konzentrationsprobleme.

Somit spielt das Internet als alternatives, leicht zugängliches und preiswertes Transportmedium für Medienprodukte eine zentrale Rolle. Es zeigt die Vorteile eines weltweiten, von überall her zugänglichen Datenspeichers. Bezüglich der Art der Daten, die dort gespeichert sind, gibt es keinerlei Restriktionen. "Stückweiser Rundfunk" bietet sich geradezu an.

 

Die amerikanische Firma Worldwide Broadcasting Network bietet über das Internet alte Fernsehnachrichten zum Abruf an. C-SPAN, der amerikanische Parlamentssender hat bereits der Verwendung seines Materials zugestimmt, CNN ist dazu "im Prinzip" ebenfalls bereit. Vgl. Cyber Times vom 16. Februar 1998, Web Service Would Offer Old TV News Broadcasts. Eine Liste voon US-Firmen, die Internet Broadcasting betreiben, findet sich bei Doug Mohney,PLUG-IN-LESS VIDEO, INDUSTRY UPDATES, INTERNET BROADCAST PROVIDERS, Boardwatch Magazine online, http://www.boardwatch. com/mag/98/apr/bwm68.html .

 

 

cc. Der Conditional Access

Während das Internet (noch) den Großteil der verbreiteten Informationen kostenlos, also ohne die Zahlung eines festgesetzten Geldbetrages als Nutzungsbedingung, anbietet, ist zu erwarten, daß stückweise abrufbare "Rundfunk"programme hauptsächlich gegen festes Entgelt vertrieben werden.

 

Allerdings muß dies nicht sein. Einerseits ist es angesichts der vergleichsweise niedrigen Kosten für Videoserver durchaus möglich, daß Menschen Videoclips kostenlos anbieten wie heute Homepages. Andererseits kann es sich -insbesondere wegen der hohen Kosten eines effektiven Copyright-Schutzes in einem digitalen Medium- als vernünftiger erweisen, für bestimmte Produkte während des Abrufvorganges computerunterstützt einen individuellen Preis auszuhandeln oder freiwillige Zuwendungen zu akzeptieren.

 

Technisch können conditional access-Systeme entweder beim Nutzer oder beim Server angesiedelt sein. Für beide Möglichkeiten sind heute Systeme marktreif. Im Fernsehbereich ist derzeit die erste Möglichkeit stärker vertreten. Dies liegt einerseits daran, daß Fernsehen nach wie vor als push-Medium wahrgenommen wird und der conditional access noch vorrangig die Zugriffsmöglichkeit des einzelnen Nutzers auf einen gleichsam vorbeifließenden Datenstrom bedeutet.

 

So funktionieren Abonnementfernsehen und Zugriffsdienste, z.B. Near-Video-on-Demand.

 

Zum zweiten erfolgt der Einzelabruf heute schwerpunktmäßig via Kabelnetz. Dieses ist aber derzeit nur begrenzt upstream-fähig, sodaß der Kunde seine Bestellung über ein zweites, das Telefon-, Netz abgeben muß (Hybridlösung). Die Telekom AG als einziger

 

Damit nimmt Deutschland in Westeuropa eine Sonderrolle ein. Die Niederlande haben 350 Kabelbetreiber, Irland immerhin acht. Vgl. KPMG aaO, S. 28.

 

Kabelnetzbetreiber und zukünftiger Verwalter der nutzerbasierten conditional access-Systeme

 

Vgl. die Einigung zwischen Bertelsmann und Kirch zum Digital TV. Vgl. http://www.spiegel.de/netzweltarc/jump.phtml?channel=netzweltarc&rub=02&cont=themen/digital-tv.html

 

wird in dieser Position auch in Zukunft wenig Energie zeigen, das Kabelnetz bidirektional auszubauen

 

Dazu müßte das baumstrukturelle Kabelnetz "segmentiert" werden, sodaß die upstream-Signale nicht am Kopfpunkt das Netz verstopfen. Außerdem müßten Router in die Netzstruktur eingebaut werden. In den USA ist diese Aufrüstung bereits im Gange. Kosten sind dabei nicht das entscheidende Problem. Die Segmentierung von Kabelinseln kostet etwa $150 pro Haushalt. Bruce Egan, Vorlesung am 15. April 98 in der Columbia Business School.

 

und damit auch für neue Nutzungen, z.B. Internetfähigkeit zu öffnen. Zum dritten wird der Versender sein Produkt nicht unverschlüsselt verschicken, sodaß auf der Kundenseite sowieso Software zur Decodierung installiert werden muß. Im Internet dagegen befinden sich noch die meisten conditional access-Systeme auf der Serverseite. Dies ist die technisch einfachere Lösung. Wegen der der Internetstruktur inhärenten Bidirektionalität kann der Zugriff begehrende Kunde nach Erfüllen der Bedingung sofort fortfahren, sprich auf die Information zugreifen oder einen download einleiten. Sicherheitsprobleme gibt es nicht mehr, weil sich im Internet ein einheitlicher Verschlüsselungsstandard durchsetzt, der dem Zugreifenden ermöglicht, auch einen in verschlüsselter Form downgeloadeten Inhalt lokal zu entschlüsseln ohne auf Software des speziellen Informationsanbieters angewiesen zu sein.

 

Public-/Private Key-Verfahren. Die entsprechende Software, "Pretty Good Privacy" steht allen Internetnutzern kostenlos zur Verfügung. Vgl. http://www.pgp.com/products/pgp-email.cgi .

 

Die Verfügbarkeit von conditional access Systemen ermöglicht den Einzelvertrieb von Filmen, Reportagen oder anderen Sendungen auf Abruf, egal über welches Transportmedium.

 

b. Die ökonomischen Aspekte der Konvergenz

aa. Internationalisierung

Die Internationale Vermarktung von Medienprodukten wird zunehmend attraktiver in einer zusammenrückenden Welt. Längst ist auch Deutschland über die Phase hinaus, in der ausländische Presseprodukte nur in Bahnhofsbuchhandlungen erhältlich waren. In den Kabelnetzen werden zunehmend fremdsprachige Programme verbreitet, in den Kinos zunehmend ausländische Filme in Originalfassung gezeigt. Mit CNN und BSkyB existieren erstmals weltweit verbreitete Fernsehkanäle. Bei zunehmender Mobilität der Menschen, besseren Fremdsprachenkenntnissen und zunehmend internationalen Informationsgewohnheiten verbessern sich die Möglichkeiten für Inhaltsproduzenten, auf Zwischenvermarkter zu verzichten.

 

Vgl. die Bestrebungen von Disney, Filme direkt zum download in den heimischen Fernseher anzubieten, sobald gewährleistet ist, daß unbefugtes Aufnehmen und Kopieren technologisch verhindert werden kann; zu den Auswirkungen dieser Entwicklung auf dominante, vertikal integrierte Medienunternehmen vgl. Eli Noam, Towards The third Revolution of Television, III.1. aaO.

 

Mit dem Internet und der Satellitentechnik stehen globale Verbreitungsmedien zur Verfügung. Die einzige Möglichkeit, auf diese Weise größere Mengen von Programm, Nischeninhalte oder Inhalte weniger mächtiger Produzenten direkt zu vermarkten und die damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten zu realisieren, ist die On-Demand-Verbreitung.

 

bb. Profitmaximierung durch Rivalität im Gebrauch

Ein noch stärkerer ökonomischer Steuerungsfaktor hin zu einer Einzelverbreitung von Rundfunkprodukten ist die Aussicht, für audiovisuelle Medieninhalte eine Rivalität im Gebrauch zu erzeugen. Im gesamten Wirtschaftsfeld der elektronischen Informationsverbreitung sind die Grenzkosten, also die zusätzlichen Kosten, die entstehen, um einem weiteren Kunden dieselbe Information zur Verfügung zustellen, außerordentlich niedrig. Umso höher sind die relativen Gewinnspannen, die realisiert werden können, wenn jedem zusätzlichen Konsumenten erneut der volle Preis berechnet werden kann, z.B. durch Verkauf einer Kinokarte. Dies war bisher im Fernsehen nicht möglich. Größere Zuschauerzahlen können nur ungenau in höhere Werbeeinnahmen umgemünzt werden mit der Folge, daß selbst Fernsehereignisse der Spitzenklasse wie der "Superbowl" nur Einnahmen von deutlich unter $ 0.50 pro Zuschauer pro Stunde einspielen.

 

Die Werbeeinnahmen aller TV-broadcaster in den USA waren 1995 ca. 35 Mrd. US $, Mary Meeker, The Internet Advertising Report, http://www.ms.com/misc/inetad/index.html; vergegenwärtigt man sich, daß ein einstündiges Ferngespräch innerhalb der USA bei einem günstigen Anbieter $ 6.00, also $ 3.00 "pro Person", also mehr als das Sechsfache kostet, erklärt sich, daß der Gesamtumsatz der US-Telefongesellschaften den der US-Fernsehveranstalter um ein Vielfaches übersteigt. Allein AT&T ohne die lokalen Telefongesellschaften hatte 1996 Einnahmen von knapp 75 Mrd. US $, The Fortune 500, http://www.pathfinder.com/fortune/ global500/ industries/ind157.html.

 

Selbst wenn für einige Programmarten kostendeckende Preise im Einzelvertrieb nicht zu erzielen sind, kann ihr Angebot durch Werbung mitfinanziert werden, die wegen der stärkeren Segmentierung der Zuschauer relativ teuer verkauft werden kann.

 

Eli Noam aaO, III.2.

 

Diese durch neue Technologie ermöglichte und durch das Internet dem Konsumenten vertraute Verbreitungsweise bietet wirtschaftliches Potential, das nicht ungenutzt bleiben wird.

 

c. Die demokratischen Aspekte der Konvergenz

aa. Aktivierung und ihre Auswirkungen auf den demokratischen Meinungsbildungsprozeß

Statt einer Verstärkung der passiven Nutzungsgewohnheiten des Fernsehzuschauers, verlangen konvergente Medien wie das Internet und der "persönliche Kanal" aktive Auswahlentscheidungen. Der Zuschauer erhält Verhandlungsmacht bezüglich jedes einzelnen Beitrags, den er auswählt, da er auch einzeln bezahlt. Er erhält Freiheit und Verantwortung hinsichtlich seiner Programmzusammenstellung. Derartig "stückweise" angebotener Rundfunk bleibt in seiner Faktorfunktion

 

BVerfGE 12, 205 (260).

 

sogar hinter einer durchschnittlichen Tageszeitung zurück, bei der es sich immerhin um ein nach editorialen Grundsätzen zusammengestelltes Gesamtprodukt handelt.

 

So auch Bullinger, Die Allgemeinkommunikation - Vom Werden einer rechtlichen Kategorie, Festschrift Winkler, 1997, III. 1. a.

 

Einzeln verbreiteten Rundfunksendungen fehlt gerade die Rundfunkeigenschaft.

 

Insofern mißverständlich BVerfGE aaO, das durch die Aufzählung einzelner Sendungsarten den Eindruck erweckt, auch ihnen komme Faktorcharakter zu. Klarstellend insoweit jedoch die darauffolgende Formulierung "Jedes Rundfunkprogramm wird durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben,..." (Unterstreichung durch Verf.), sowie BVerfGE 83, 238 (296), wo es heißt "Der Rundfunk ist 'Medium und Faktor' ...", womit jedenfalls nicht die einzelne Sendung gemeint ist. Vgl. auch Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation; Baden-Baden. 1980, S. 42f.

 

Zum Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung kann und wird diese Art der Verbreitung von Medienprodukten jedoch in vergleichbarem Maße beitragen wie etwa die Presse oder eben das Internet. Das Regelungsregime dieser Medien ist aber gerade nicht von "positiver Ordnung", sondern von "Offenheitspflege" gekennzeichnet.

bb. Schwindende Geeignetheit nationalen Rundfunks zur Integration

Nationaler Rundfunk erfüllt in weitaus geringem Maße als früher eine nationale, geschweige denn - der Länderhoheit in diesem Bereich entsprechende - regionale Integrationsfunktion.

 

Angedeutet in BVerfGE 73, 118 (124, 156); deutlich Bullinger/Mestmäcker aaO, 1. Kapitel, VI. 1.

 

Motor und Faszinosum der technologischen Entwicklung, die sich derzeit bei den audiovisuellen Medien zeigt, ist die Leichtigkeit, mit der Entfernungen überwunden werden. Ohne deutsche normative Vorprägung scheint es schon theoretisch verworren, daß ausgerechnet dem Medium, das das "global village" möglich macht, die Bürde regionaler Integration zugemutet werden soll. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich die Chancen lokaler und regionaler Berichterstattung durch die neuen Entwicklungen keineswegs verschlechtern. Von den Chancen, Inhalte auf neuen Wegen und in neuen Formen anzubieten, profitieren start-up companies in Silicon Valley genauso wie Heimatvereine im Ostallgäu. Beiden steht die gleiche Technologie zur Verfügung. Im "Cyber-TV" wird nicht Lokales verdrängt, sondern Entfernung bedeutungslos, weil es strukturell - wie das Internet - entlokalisiert ist.

 

Produktionsort, Ort der Handlung, Lagerort, Heimatort des Produzenten und Abrufort können auseinanderfallen, ohne daß es für die zum Abruf nötige Transaktion von Einfluß wäre.

 

3. Zukunft

a. Der persönliche Kanal

Die Konsequenz der angestellten Überlegungen und der heute schon zu beobachtenden Entwicklungen

 

Die ARD-Redaktion arbeitet an einer "personifizierten Tagesschau", also einer immerhin persönlichen Sendung, vgl. Degenhart, Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, Rechtsgutachten 1997, S. 53.

 

ist der "persönliche Kanal".

 

Eli Noam aaO bezeichnet ihn als "Me-Channel" oder "Kanal Ich".

 

Viel weniger als die heute vorherrschenden Vielkanalbedingungen, ist die Medienwelt des "persönlichen Kanals" eine Gefahr für die vom BVerfG identifizierten Elemente der Freiheit der Meinungsbildung, der Art. 5 I 2 "dient".

 

BVerfGE 74, 297 (323).

 

Insbesondere das "Auslieferungsverbot" und die Sicherung des Angebots von nicht-massenattraktiven Programmen sind hier deutlich einfacher zu erreichen, als mit einer explodierenden Zahl vollwerbefinanzierter Kanäle vertikal integrierter Anbieter.

 

aa. Vielfalt der Anbieterstruktur

Das Einzelabruffernsehen zeichnet sich neben größerer Internationalität wegen der Verfügbarkeit alternativer Übertragungswege (s.o.) auch durch niedrigere Eintrittsbarrieren für neue Anbieter aus. Hierin liegt die Chance, im Markt für audiovisuelle Medienprodukte eine ähnliche Diversifikation zu erreichen, wie sie bei den Printmedien besteht und dort auch vom BVerfG als den Aufgaben des Massenmediums Presse bei der demokratischen Meinungsbildung gerecht werdend bezeichnet wurde.

 

BVerfGE 57, 295 (323).

 

Diese Chance kann aber nur genutzt werden, wenn die rechtliche Behandlung der neuen Dienste der tatsächlichen Entwicklung folgt, wenn also die neuen Dienste und der sich individualisierende Rundfunk

 

Diese Entwicklung wurde schon 1980 von Bullinger, Kommunikationsfreiheit aaO, S. 45 beschrieben.

 

zügig aus dem Korsett der "positiven Ordnung" entlassen werden. Die organisatorischen, verfahrensmäßigen und inhaltlichen Anforderungen, die das BVerfG an Rundfunkveranstalter stellt, machen den Eintritt kleinerer Unternehmen unmöglich und tragen zur Konzentration bei. So zeichnet die deutsche Rundfunkdogmatik für einen Gutteil der Kosten der Rundfunkveranstaltung verantwortlich, die es als Rechtfertigung dieser Dogmatik benutzt.

 

BVerfGE 73, 118 (123, 154).

 

 

 

bb. Rückgang vertikaler Integration

Die auch in Deutschland kritisierten Konzentrationserscheinungen im Medienbereich werden dadurch begünstigt, daß es an einem wirklich offenen Markt für audiovisuelle Medienprodukte fehlt. In einem offenen Markt ist die gemeinsame Kontrolle von Inhaltsproduktion und Verbreitung nicht die effektivste Unternehmensstrategie.

 

Vgl. für die amerikanische Situation Noam aaO; Richard V. Ducey aaO.

 

 

Vielmehr wird die Ausrichtung von Unternehmen auf spezielle Kompetenzbereiche forciert, die wiederum einem funktionierenden, also Vielfalt hervorbringenden, Markt förderlich ist.

 

cc. Rückgang von Mainstreaminhalten in werbefinanzierten Programmen

Unter Vielfaltsgesichtspunkten ist vom BVerfG wiederholt die Befürchtung geäußert worden, daß werbefinanzierter Rundfunk nur den Massengeschmack versorgen wird und Nischenangebote vernachlässigen wird, da diese nicht werbefinanzierbar seien.

 

BVerfGE 57, 295 (323); 73, 118 (155f).

 

Dies ist richtig in einem Umfeld, in dem konkurrierende Vollprogrammanbieter auf große Zuschauerzahlen angewiesen sind, um die Werbepreise hochhalten zu können. Eine solche Kalkulation ist bereits in der Entwicklung zum Vielkanalfernsehen und dem damit verbundenen Rückgang der Zuschaueranteile pro Programm kaum aufrechtzuerhalten. Veranstalter können die Werbepreise nicht soweit senken, daß Werbetreibende mit gleichem finanziellen Aufwand die gleiche Zuschauerzahl erreichen wie im 4- oder 5-Kanal-Fernsehen. Werbetreibende können sich nicht leisten, in allen Programmen gleichzeitig zu werben, um Reichweiten wie zu Beginn der 80er Jahre zu erreichen. Diese Selbstverständlichkeit hat dazu geführt, daß z.B. in den USA mit der Steigerung der Kanalzahlen auch die Zahl der werbefreien Abonnenement-Programme gestiegen ist.

 

Sog. Premium-Cable Channels. Dieser Effekt ist eingetreten, obwohl in den USA im Vergleich zu Deutschland ein Vielfaches für Fernsehwerbung ausgegeben wird. USA: $ 35 Mrd, D: DM 6,3 Mrd = ca. Ein Zehntel !), http://www.bertelsmann.de/deutsch/news/reden/text/ medien.html .

 

Andererseits behindert die Angewiesenheit der großwerbetreibenden Konsumgüterhersteller auf ein Massenpublikum weiterhin die Herausbildung größtmöglicher Kanalvielfalt.

Im Einzelabruffernsehen ist dagegen die Massenattraktivität als Werbevehikel unnötig. Dort ist es dagegen nicht nur möglich, die Zuschauerschaft durch stärkere Verspartung weiter zu segmentieren,